Frankfurter Rundschau vom 07.12.01

Wenn der Schwimmbadreiniger die Wand hochklettert
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Wieder mal war Schmalclub, und manch einer durfte, beraten von Frau Grein, seine erste Tupperware-Party erleben.Meine erste Tupper-Party! Und kein Zweifel: Die "Eidgenossen" in pastelligem Design, die Frau Grein, jetzt wohl meine persönliche Tupper- Beraterin präsentiert, sind heute im "Hits für Freunde"-Paket ein echtes Schnäppchen. Das ideale Weihnachtsgeschenk, wenn ich nur jemanden kennen würde, dem ich so was schenken könnte.Ab jetzt jedenfalls heißt es: "Alles wird eingetuppert und dann in den Gefrierschlaf geschickt." Schon überzeugt, auch wenn die Dinger so richtig hübsch nicht sind. Dafür gibt’s 30 Jahre Garantie. Die Firma "Bofrost" übrigens, wenn wir schon beim Einfrieren sind, liefert nicht nur Tiefkühlzeugs nach Hause, sondern hat im Winterangebot auch allerlei Pralinen und Kekse. Von besonderer Qualität, das kann Herr Boquoi, zuständiger Bezirksvertreter, mittels jeder Menge Kostproben glaubhaft versichern.

Vielleicht aber war das Urteilsvermögen auch schon etwas eingeschränkt, denn drüben gab’s einen Wein zu verkosten, für den noch ein eigener Name gesucht wird. Schnell noch ein paar Tropfen Essig probiert – "Der Plaumen-Cognac-Essig ist unser Renner." Das glaub ich gern. Und günstig ist er, zumindest vergleichsweise. Denn die Forsyth-Insel (ohne "e" am Ende) kann man zwar auch kaufen, aber ich wohl erstmal nicht, vielleicht in ein paar Jahren. Das gilt auch für "Dolphin", den vollautomatischen, mikroprozessorgesteuerten Schwimmbadreiniger, der an jeder Wand hochklettert. Aber nicht in Duschen, insofern brauch ihn eh’ grad nicht. Umsonst ist nur der Tod, na ja und andere letzte Dinge: Zwischen Gebrauchtwagen und so einer Art moderner Heimorgel werden auch Religionen feilgeboten. Bruder Paulus in seiner Kutte preist mal wieder den Katholizismus und hat dazu eine PowerPoint-Präsentation auf dem Laptop mitgebracht. Nebenan wird auch Buddhismus und Islam kompetent und freundlich angeboten.

Beim "Schmalclub" im Bockenheimer Depot, wie immer organisiert von Studierenden der HfG Offenbach, gab’s diesmal die weite Wunderwelt des Verkaufens zu bestaunen, und da scheint sich seit den Tagen der "Blume der Hausfrau" doch einiges getan zu haben: Vertreter für dies, Vertreter für jenes (hab’ ich die Rüttelmassage, die Akupunkturnadeln und die Kosmetik schon erwähnt? Und die Eintracht- neben den Kickers- Fans?). Vertreter eines Glaubens, Vertreter einer Firma, Vertreter eines Landes (das kirgisische Konsulat!) – und Vertreter für einen selbst. Doch der rothaarige, gut gekleidete junge Mann, der uns versprochen war, um uns für eine halbe Stunde bei einem unliebsamen Gesprächspartner zu vertreten, kam leider nicht. Ließ sich nicht einmal vertreten. Nicht jeder der Handlungsreisende blieb übrigens den Abend so gut gelaunt, wie jener Angelhändler, der seine schnittigen Gummifischköder fröhlich ein ums andere Mal ins Aquarium warf. Denn wenn keiner kauft, ist das Verkaufen natürlich nicht mal halb so schön. FLORIAN MALZACHER

 

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Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 07.12.01

Windbeutel und einsame Inseln
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Die Südsee und Grönland, Kalifornien und Texas liegen gar nicht weit. So will es uns jedenfalls das Reisebüro "Fernistnah" weismachen, das den Blick ganz unspektakulär auf die Deutschlandkarte lenkt. Alle noch so exotisch klingenden Urlaubsziele finden sich nämlich hier in diesem Land, im Kreis Schleswig-Flensburg, in Krempe oder Kiel. Und schon für zwei Mark kann man die Orte bereisen - in Gedanken zumindest, denn man erhält einen Reiseplan mit allen Zugverbindungen.

Schon zum 13. Mal hat der "Schmalclub"namens "Pro Nova", den Heiner Blum und seine Studenten der Offenbacher Hochschule für Gestaltung zusammen mit dem Ballett Frankfurt gestalten, ins Bockenheimer Depot eingeladen: Um Vertreter geht es diesmal; wie auf einer Messe bieten Verkäufer an etlichen Ständen ihre Waren an.

Es sind kuriose Angebote, die die Offenbacher da zusammengesucht haben. Neben der Backmischung "Krafticus" für Sportler, die in 1,4-Kilo-Eimern verkauft wird, kann der Besucher auch Windbeutel von Bofrost probieren. Er kann sich aber auch an einem Stand des Konsulats der Kirgisischen Republik informieren oder bei einem Reiseanbieter, der kleine Inseln weltweit vermietet oder verkauft. Nichts scheint zu absurd und ist dennoch irgendwie interessant: nicht das in einem Wasserbehälter umherfahrende Swimmingpool-Reinigungsgerät, nicht das alleine vor sich hinspielende Klavier oder die schimmernden Fischköder. Das riesige und absurde Angebot erstreckt sich auf alle Lebenssituationen: Von allen wichtigen Weltreligionen sind einige Vertreter da, es gibt Vertreter für Autos, fürs Flirten und Psycho-Gesprächsrunden für problembeladene Männer.

Alles, so vermitteln die Veranstalter des "Schmalclubs" im Hinblick auf die an die jederzeit abrufbaren Daten im Internet gewöhnte Informationsgesellschaft, alles ist gleichermaßen verfügbar, aber auch austauschbar. Wie in einem Supermarkt läßt es sich so durch die Welt des Konsums schlendern, ein beliebige, buntes Sammelsurium voll schriller, nie gesehener und auch komischer Waren. In einen neuen, künstlichen Zusammenhang gestellt, werden so andererseits selbst das Gemüsemesser oder der Vorwerk-Staubsauger zu interessanten Gegenständen.

Aber auch die Besucher des unterhaltsamen "Schmalclubs" werden zu Vertretern - und zwar ihrer Meinung. Am Eingang können sie ein Schild aussuchen, das sie den ganzen Abend tragen. "Aldi"-, "Offenbach"-, "ungeschminkte Frauen"- oder "Schnittblumen"-Anhänger sind so auf den ersten Blick erkennbar. Und ansprechbar. Denn wie immer entpuppt sich der "Schmalclub" als eine Veranstaltung, bei der sich Leute wunderbar kennenlernen können. KATHARINA DESCHKA